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Rückblick: International Symposium

Das “International Symposium on Handwriting Skills 2017” in der TU Darmstadt. Foto: Milena Mayer / SMIVeranstaltungsrückblick 10. November 2017

2. International Symposium on Handwriting Skills in Darmstadt: Handschrift bleibt – auch im digitalen Zeitalter. Aber …

„Die Medien ändern sich, aber die Handschrift bleibt.“ Und: „Bildung benötigt das Handschreiben im sinnvollen digitalen Kontext.“ Das waren zwei Arbeitsthesen, die Wissenschaftler, Lehrerausbilder, Vertreter von Kultusministerien sowie Schulpraktiker und Ergotherapeuten auf einem internationalen Symposium des Schreibmotorik Instituts in Kooperation mit dem Institut für Arbeitswissenschaft der TU Darmstadt im Gästehaus der Universität diskutierten. Im Mittelpunkt standen dabei die Chancen und Risiken des Handschreibens im Kontext der Digitalisierung – eine Auseinandersetzung mit grundlegenden Fragen der Bildungspraxis der Zukunft. Das Symposium wurde von Bayern und Hessen als Lehrerfortbildung anerkannt.

Das “International Symposium on Handwriting Skills 2017” in der TU Darmstadt. Foto: Milena Mayer / SMIDas “International Symposium on Handwriting Skills 2017” in der TU Darmstadt. Foto: Milena Mayer / Schreibmotorik Institut

Handschreiben und digitale Technik sind keineswegs ein Widerspruch. Dies zeigen etwa die aktuellen technologischen Entwicklungen, die Handschrift als Eingabemedium nutzen. Denn „das Schreiben von Hand ist eine der benutzerfreundlichsten Interaktionsformen für die Mensch-Maschine Schnittstelle – direkt, flexibel, intuitiv und kreativ “, erklärte Dr. Marianela Diaz Meyer, Ergonomie-Expertin und Leiterin des Schreibmotorik Instituts, Heroldsberg. Vorgestellt wurden aktuelle Studien zum Schreiben mit digitalen und analogen Medien sowie erprobte praktische Ansätze von Kombinationen aus beiden Welten.

Bereits seit einigen Jahren gibt es internationale Bestrebungen, die Handschrift in der Schule zunehmend durch getippte Buchstaben zu ersetzen. Die Beiträge auf dem Symposium zeigten auf, welche Problematik sich daraus für den Bildungserwerb ergibt. Denn Handschreiben fördert die kognitive Entwicklung. „Nur drei Finger halten den Stift beim Schreiben, doch das gesamte Gehirn arbeitet.“ So lautete beispielsweise der Titel eines Vortrags von Ruud van der Weel, Professor für Kognitionspsychologie, Norwegian University of Science & Technology. Handschrift – idealerweise kombiniert mit Visualisierungen wie. kleinen Zeichnungen, Formen oder Pfeilen – berge Vorteile für die „sensorischmotorische Integration und für den Lernprozess“. Heißt: Das Lernen wird erleichtert und optimiert.

Das “International Symposium on Handwriting Skills 2017” in der TU Darmstadt. Foto: Milena Mayer / SMIGerald Lembke, Professor für digitale Medien an der Hochschule Mannheim, sprach in seinem Vortrag über die Risiken einer zu digital geprägten Bildung. „Eine Kindheit ohne Computer ist der beste Start ins digitale Zeitalter“, meinte er – gerade weil die digitale Technik so kulturprägend geworden sei. „Da die Geräte aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken sind, müssen wir darauf achten, sie als Instrumente einzusetzen, als Mittel zum Zweck, um ein Ziel zu erreichen. Dann machen sie Sinn“, so meinte Lembke. „Aber lebensbestimmend dürfen sie nicht sein. Wir müssen die Digitalität beherrschen und nicht umgekehrt. Wir dürfen unsere bewährten Kulturtechniken nicht einfach so aufgeben – bloß der Faszination für das nächste digitale Gadget.“ Es gehe darum, so betonte der Wissenschaftler, einen „achtsamen und verantwortungsvollen Umgang mit der Digitalität zu finden“.

Für den Unterricht bedeute das: „Je später die Kinder und Jugendlichen mit digitalen Medien konfrontiert werden, umso besser ist es für sie und umso besser entwickeln sie die Kompetenzen für den Umgang mit Digitalität später, die unausweichlich sind. Wenn ein Kind aber nicht rechnen kann, wird es auch Logik und Algorithmen in der Informatik nicht verstehen können“.

Test für Schreibmotorik

Das “International Symposium on Handwriting Skills 2017” in der TU Darmstadt. Foto: Milena Mayer / SMIDass digitale Technik allerdings nicht nur Lernmittel sein kann, sondern auch die Arbeit von Lehrkräften erleichtern kann, machte das Referat von Dr. Christian Marquardt, Wissenschaftlicher Beirat des Schreibmotorik Instituts, deutlich – er stellte ein neues Instrument vor, einen neuen, einfachen Schreibmotoriktest für Schreibanfänger, die „SMI KompetenzSpinne“ – er soll Antworten liefern auf die Frage: Wie fit ist das Kind für den Schreibunterricht? „Die SMI KompetenzSpinne ist das erste förderdiagnostische Screeningverfahren für Lehrkräfte zur Erfassung der Schreibfertigkeiten von Kindern. Es deckt alle zentralen Aspekte des Schreibenlernens in einem spezifischen, reliablen und praktikablen Instrument ab“, so erläuterte Marquardt. Aus den Ergebnissen ließen sich individuelle Förderansätze ableiten.

Neben wissenschaftlichen Erkenntnissen wurden auch Erfahrungen aus der Praxis vermittelt. Die Berichte der Lehrerinnen Djoke Mulder aus den Niederlanden und Ina Herklotz aus Deutschland basierten auf verschiedenen Unterrichtsformen: Die eine (Mulder) setzt auf eine Kombination aus Handschrift und Tablets im Unterricht, während die andere (Herklotz) ausschließlich das Entdecken und Ausprobieren mit den Händen in den Mittelpunkt stellt. Welche wichtigen Anstöße ergeben sich für die Bildungspraxis? Darüber wurde interdisziplinär diskutiert. Diaz Meyer: „Es steht fest, dass die Zukunft digital wird.“ Wer das Handschreiben retten möchte, sollte das bedenken.

Das “International Symposium on Handwriting Skills 2017” in der TU Darmstadt. Foto: Milena Mayer / SMIDie Institutsleiterin betonte: „Anstatt die fortschreitende Digitalisierung zu ignorieren, müssen wir uns intensiv damit befassen. Wir sind in der Pflicht, neue pädagogische Ansätze durch entsprechende Forschungsergebnisse zu untermauern, grundlegende Anregungen zu deren Inhalten zu liefern und die Praxis gemeinsam mit den Pädagogen aktiv neu zu gestalten.“Dann könnten Digitale Medien und innovative Technologien das Schreibenlernen in Zukunft sogar erleichtern. Und das sei nötig: Immerhin jedes dritte Mädchen und jeder zweite Junge seien aus Sicht der Lehrkräfte von signifikanten Schreibproblemen betroffen, Tendenz steigend.

Die Meinungswerte der Symposiumsteilnehmer zu den Arbeitsthesen, ermittelt über eine Abstimmung per SMS, fielen übrigens eindeutig aus: „Die Medien ändern sich, aber die Handschrift bleibt“ – dem stimmten 88 Prozent zu (ermittelt über eine Abstimmung per SMS). „Bildung benötigt das Handschreiben im sinnvollen digitalen Kontext” – das meinten sogar 97 Prozent.

Das “International Symposium on Handwriting Skills 2017” in der TU Darmstadt. Foto: Milena Mayer / SMI

bibo / Agentur für Bildungsjournalismus
Mit freundlicher Genehmigung von News4teachers.

          

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Das Symposium wurde von Bayern und Hessen als Lehrerfortbildung anerkannt.

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