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Mit dieser Schreibhaltung verwischt keine Tinte. Foto: Dr. Johanna Barbara SattlerAnders schreiben, anders denken – Fakten zur Linkshändigkeit

Die Anzahl an Linkshändern in der Bevölkerung steigt. Linkshänder sind mit einigen praktischen Problemen im Alltag konfrontiert. Dennoch ist die linke Hand genauso gut wie die rechte.

Mit dieser Schreibhaltung verwischt keine Tinte. Foto: Dr. Johanna Barbara SattlerLinkshänder haben es meistens nicht leicht in unserer auf Rechtshänder ausgerichteten Welt: verwischte Tinte beim Schreiben, das falsche Arbeitsmaterial oder Apparaturen, die so angelegt sind, dass sie mit dem rechten Arm bedient werden und das weit verbreitete Begrüßungsritual, sich die rechte Hand zu reichen.

Die Händigkeit ist von der Natur vorgegeben. Aber auch wenn Kinder mittlerweile größtenteils nicht mehr bewusst von Erwachsenen umgeschult werden, orientieren sie sich oft selbst sehr früh durch Modellverhalten an ihrer rechtshändigen Umwelt. Es ist wichtig, dass Kinder von Anfang an ihre dominante Hand uneingeschränkt benutzen können und dürfen. Denn bei Linkshändern sind andere Areale im Gehirn aktiv.

Mangel an Zahlen zum Thema Linkshändigkeit in Deutschland

Bis heute gibt es keine einheitlichen, wissenschaftlich gestützten Erhebungen zur Verteilung der Linkshänder in Deutschland. Wissenschaftler stehen vor Problemen wie:

  • Wurde die Person bewusst oder unbewusst umgeschult?
  • Welchen Einfluss hat die Umschulung früherer Generationen?
  • Welche Erhebungsmethode soll verwendet werden: Ab wann ist man Linkshänder? Wenn man links schreibt, isst, hämmert, Zähne putzt,...?

Vermutung der Anzahl an Linkshändern in Deutschland

  • Am Ende des 3. Lebensjahres steht bei den meisten Kindern die dominante Hand fest (McManus et al., 1988). Diese fungiert als Arbeitshand (Durchführung der meisten Handlungen) und wird von der nicht-dominanten Hand (Haltehand) unterstützt (Rosenkötter, 2012).
  • Der Linkshänderanteil in Deutschland ist nicht exakt geklärt. Ergebnisse deuten darauf hin, dass er zwischen 10-15%, aber auch 20% sein könnte (Sattler et al., 2014).
  • Vasterling (2011) vermutet, dass es mehr links schreibende Kinder in deutschsprachigen Grundschulen geben wird, da keine Umschulungen mehr vorgenommen werden.

Die Abschaffung der Umschulung könnte verzögert Einfluss nehmen:

  • Das gesellschaftliche Denken und Handeln wird sich wahrscheinlich nur langsam verändern, z.B. wurde das Thema Linkshändigkeit erst 2002 offiziell in bayerische Lehrpläne aufgenommen.
  • Rollenmodelle rechtshändiger Eltern könnten weiterhin überrepräsentiert sein und die Handpräferenz ihrer Kinder beeinflussen (unbewusste Umschulung).
  • Dies könnte erklären, weshalb in einer Studie von Serafin und Kollegen (2014) der Anteil von Linksschreibern bei jüngeren Altersgruppen im Vergleich zu älteren wuchs (1.214 Probanden, DE):
    60 bis 91-Jährige: 1%
    20 bis 59-Jährige: 8%
    4 bis 19-Jährige: 12%

Geschlechtsverteilung

Papadatou-Pastou und Kollegen (2008) verglichen internationale Studien zur Verteilung männlicher und weiblicher Linkshänder und kamen bei der Betrachtung von 1.787.629 Probanden zu dem Ergebnis, dass Linkshändigkeit verstärkt bei Männern auftritt. Dieser Unterschied zeigte sich auch, wenn allein das Schreiben per linker Hand betrachtet wurde.

          

Zum Weiterlesen

SATTLER B.; MARQUARDT C.: Motorische Schreibleistung von linkshändigen und rechtshändigen Kindern in der 1. bis 4. Grundschulklasse. In: Ergotherapie und Rehabilitation (2010) 49, Teil 1 und 2. http://www.lefthander-consulting.org/deutsch/Sattler_Sonderdruck.pdf

MCMANUS, I. C.; SIK, G.; COLE, D. R.; MELLON, A. F.; WONG, J.; KLOSS, J.: The development of handedness in children. In: British Journal of Developmental Psychology (1988) 6(3), S. 257-273.

ROSENKÖTTER, H.: Motorik und Wahrnehmung im Kindesalter – Eine neuropädagogische Einführung. Stuttgart: Kohlhammer-Verlag, 2012.

SATTLER, J. B.; KLUßMANN, A.; ARNOLD-SCHULZ-GAHMEN, B.; VASTERLING, A.; WAGNER, H.; HARTMANN, B.: S1-Leitlinie: Händigkeit–Bedeutung und Untersuchung. AWMF online (2014).

VASTERLING, A.; WEILAND, G.; SATTLER, J. B.: Linke Hand – rechte Hand: Ein Ratgeber zur Händigkeit. Idstein: Schulz-Kirchner Verlag, 2011.

SERAFIN, P.; MÜHLEMEYER, C.; LEVCHUK, I.; GEBHARDT, H.; KLUßMANN, A.: Auswirkungen der Handpräferenz auf die isometrische Maximalkraft bei ausgewählten Kraftfällen. Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie (2014) 65(1), S. 5-11.

PAPADATOU-PASTOU, M. ; MARTIN, M.; MUNAFO, M. R.; JONES, G. V.: Sex differences in left-handedness. A meta-analysis of 144 studies. Psychological Bulletin (2008) 134(5), S. 677-699.

Sämtliche Publikationen des Schreibmotorik Instituts

          

Sollten Sie Informationen aus dem vorliegenden Beitrag entnehmen, bitten wir Sie, diesen wie folgt zu zitieren:

Schreibmotorik Institut e.V. (2017). Anders schreiben, anders denken – Fakten zur Linkshändigkeit; Zugriff am [dd.mm.jjjj] unter http://www.schreibmotorik-institut.com/index.php/de/fakten-und-tipps/fachwissen/612-anders-schreiben-anders-denken-fakten-zur-linkshaendigkeit

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